Morgen ist deutscher Mühlentag. Vielleicht feiert auch eine Mühle in Ihrer Nähe den Tag der offenen Tür. Oder haben Sie Lust auf eine "Mühlengeschichte?"
Bitteschön und viel Spaß damit!
Mühlenfest
Endlich hatten sich die vier
Freundinnen einen Platz an einem der Tische beim Mühlenfest ergattert.
„Super,
mit Sonnenschirm, da haben wir ja Glück gehabt.“
„Find
ich auch. Jetzt müssen wir nur noch schauen, dass wir eine Brautwurst und was
zu Trinken besorgen.
„Isst
jeder Bratwurst? Dann geh ich vier Stück holen.“
„Gute
Idee. Und ich kümmer mich um die Getränke.“
„Warte,
ich helf dir. Du kannst ja nicht alles auf einmal tragen.“
„Und
ich besetz die Plätze.“ Daniela war ganz froh, nach der langen Joggingrunde
sitzen bleiben zu können. Sie blickte sich um und staunte, dass um diese Zeit
schon so viele Besucher hierher gekommen waren. War aber auch ein gelungenes
Fest. Jedes Jahr an Pfingstmontag war Deutscher Mühlentag. Und den feierte man auch
hier in der Waldmühle zünftig. Es
spielte eine Musikkapelle, fliegende Händler
boten ihre Waren feil und der Mühlenwirt verwöhnte seine Gäste mit
selbstgemachten Schmankerln. Daniela fing einen Blick aus der Menge auf. Wow,
waren das Augen! Blau wie klare Bergseen, in die man eintauchen und deren Tiefe
man ergründen wollte. Und sie gehörten zu einem Mann, diese Augen. Danielas
Nackenhärchen stellten sich auf und Schweißperlen sammelten sich am hinteren
Haaransatz. Irrte sie sich oder schaute dieser
Kerl sie unverschämt grinsend an? Fast bereute Daniela es, dass ihre
Freundinnen schon wieder zurück waren und sie mit Bratwurst vom Geschehen
ablenkten.
„Na,
Daniela, wo feiern wir jetzt deinen Vierzigsten?“ wollte Kerstin wissen, als
alle wieder da waren.
„Keine Ahnung, ich
habe noch keine passende Location gefunden.“
„Hier in der
Mühle wär doch nicht schlecht“, schlug Simone vor.
„Ha, ha, toller
Witz. Ich wollte eigentlich meinen Geburtstag feiern, nicht meinen finanziellen
Ruin.“
„ Na, dann
scheint das ja ein größeres Fest zu werden.“
„ So etwa
fünfzig Personen können’s schon werden.“ Und da waren sie schon wieder, diese
Augen. Kein Wunder, schließlich hatte Daniela auch die ganze zeitlang Ausschau
danach gehalten. Und jetzt sah sie auch den Kerl, der dazu gehörte, in voller
Größe. Toll sah er aus. Durchtrainierter Körper, allerdings ohne diese typische
Muckibudenverteilung, Diesen Körper hatte die Arbeit geformt. Vielleicht ein
Bauarbeiter. Sicherlich jemand, der sich viel an der frischen Luft bewegt. In Freundinnenkreisen
würde man dieses männliche Wesen als Sahneschnittchen bezeichnen. Und dennoch.
Leider nichts für mich, dachte sich Daniela. Dabei war sie seit einiger Zeit
wieder Single und durchaus nicht abgeneigt, sich auf ein Abenteuer einzulassen.
Aber dennoch – dieser Mann kam nicht infrage. Sie wollte endlich aufhören ihn
anzustarren, aber es ging nicht. Verdammt, der schien grade genau dieselben
Überlegungen über sie anzustellen, die sie eben gemacht hatte. Na, dann würde
er ja wohl auch zum selben Schluss kommen.
„Hallo,
Erde an Daniela“, wurde sie soeben von ihrer besten Freundin Kerstin angefunkt.
„Du siehst nicht grade aus, als würdest du dir genauso ernsthaft Gedanken über
deine Party machen wie wir. Bisher hast du dich zu keinem unserer Vorschläge
geäußert. Was ist los? Läuft hier irgendwo ein Mann frei herum?“
„Nee“,
entschuldigte sich Daniela verlegen. „Ich glaube, ich habe mein Bier hier zu
hastig getrunken. Mir war grade ein bisschen schwindlig“
„Soll ich dir
ein Wasser besorgen?“ .Die Lüge schien ganz gut geraten zu sein; die
Freundinnen kauften sie ihr ab.
„Nee, lass’ mal, geht schon
wieder.“ Und es gelang den vieren tatsächlich, noch eine ansehnliche Liste
potentieller Partylocations aufzustellen, die Daniela in den nächsten Tagen checken
wollte. In sechs Wochen sollte die Fete schließlich stattfinden.
Man ging ziemlich nahtlos von Bratwurst und
Bier zu Kaffee und Kuchen über; schließlich hatte man sich an diesem Morgen
schon früh zum Joggen getroffen, um sich diesen Sündentag zu gönnen. Gerade
schob sich Daniela genüsslich ein Stück Erdbeertorte mit Sahne in den Mund,
wollte eben die Augen schließen, um sich vollkommen diesem Genuss hinzugeben,
da war er schon wieder. Diesmal stand er unmittelbar hinter Simone.
Glücklicherweise sagte er nichts, aber sein Blick deutete Daniela
unmissverständlich, dass dieser Fremde vorhatte, ihre Bekanntschaft zu machen.
Daniela versuchte ihm mit einer Geste klarzumachen, dass er sich das aus dem
Kopf schlagen solle und sie nicht in sein Beuteschema passe. Ihre Augen jedoch
versagten den strengen Blick, für den sie sonst so berüchtigt war und der, wie
Kerstin immer behauptete, selbst einem hungrigen Löwen den Appetit verdarb.
Offenbar gelang ihr nur ein stummes Flehen, was der Unbekannte aber wohl völlig
falsch deutete.
„Was
ist denn das fürn Typ?“ fragte Heike. „Kennst du den?“
„Der da? Nö, hab ich noch nie
vorher gesehen?“ Das musste er doch kapiert haben. Denkste. Der grinste schon
wieder so.
„Na,
das sieht aber nicht danach aus.“ Jetzt war er auch Simone aufgefallen.
„Hab
ich das was verpasst?“ Als beste Freundin musste sich Kerstin jetzt natürlich
umdrehen und die potentielle Neueroberung begutachten. „ Na, der wird ja wohl
keine Gefahr für dein einsames Herz sein?“
„Genau.“
Die beste Freundin hat einfach einen Blick für so was.
„Aber
vielleicht fürs einsame Bett?“ Heikes Bemerkungen waren manchmal ganz schön
bösartig. Sie machte sich dadurch oft unbeliebt.
„Ach
Heike, lieber mal ein leeres Bett, das man sich ab und zu frisch bezieht als
eines, das schon seit Jahrzehnten dieselbe Bettwäsche trägt.“ Zugegeben, es war
bitterböse, was Daniela sich da über Heikes langweilige Ehe erlaubte, aber nur
austeilen ist nicht. Nicht bei Daniela. Immerhin war der blonde Mühlengeist,
der sie seit geraumer Zeit angenehm schreckte, wieder verschwunden. Zumindest
so lange, bis Daniela abkommandiert wurde, eine Runde Apfelschorle zu besorgen.
Am Getränkestand hatte sich eine riesige Schlange gebildet; es würde bestimmt
eine halbe Sunde dauern, bis sie an die Reihe käme, dachte sich Daniela und
wollte schon wieder umdrehen und ihre Freundinnen von der Unmöglichkeit des
Vorhaben überzeugen. Plötzlich war da dieser Geruch. Er erzeugte in Daniela
genau die gleichen körperlichen Reaktionen wie vor einiger Zeit der Blick in die blauen Augen.
Daniela traute sich nicht, sich umzudrehen. Sie hatte auch keine Ahnung, was
sie so sicher machte - aber sie wusste
ganz genau: Er stand hinter ihr. Sie spürte, wie er näher kam und sein Atem berührte
schon ihren Hals, kitzelte sich hoch bis zum Ohr und dann flüsterte eine
unerwartet tiefe Stimme:
„Hallo
Daniela. Ich bin der Torsten.“ Wow – Frontalangriff auf die Vernunft-
Kommandozentrale auf einen Schlag lahmgelegt, Machtübernahme durch die Lust
ohne nennenswerte Gegenwehr. Jetzt genau aufpassen – ja nicht Falsches sagen,
dieser Mann kommt nicht infrage, sofort kalt abblitzen lassen. Diese Befehle drangen
noch durch, aber Daniela hatte unwahrscheinliche Mühe, sie umzusetzen.
„Wer
sind Sie? Und was wollen Sie von mir?“
„Ich
sagte doch, ich bin der Torsten. Und was ich von dir will, soll ich’s dir
wirklich gleich hier zeigen?“
„Unterstehen
Sie sich!“ Schnell drehte sie sich um und verließ die Schlange am Getränkestand
unverrichteter Dinge.
„Tut
mir leid, meine Lieben, aber das kann Stunden dauern, bis wir da was zu Trinken
bekommen.“ Daniela hoffte inständig, dass ihre Freundinnen sie nicht beobachtet
hatten. Dieser Torsten war ihr immerhin ganz schön nahe gekommen. Viel zu nahe
für einen Kerl, der für sie keinesfalls in Frage kam. Obwohl … warum eigentlich
nicht? Schließlich bin ich frei und habe nicht vor, fortan das Leben einer
Klosterfrau zu führen, vernahm sie Botschaften aus ihrem Inneren. Ihr Verstand
hatte wirklich eine Heidenarbeit zu leisten, den Blutdruck wieder zu senken und
die Schweißperlen, die sich an ihrem Hals bildeten, zu stoppen.
„Na
ja, dann warten wir eben, bis die Schlange ich aufgelöst hat. Wir werden nicht
gleich verdursten.“ Glücklicherweise hatte wohl weder Kerstin noch die anderen
was gemerkt. Als dann der Fremde allerdings
knapp eine halbe Stunde später die
Getränke an den Tisch brachte, begann die Diskussion erneut.
„Du
willst doch wohl nicht mehr behaupten, dass du dieses Kerlchen nicht kennst?“
„Will
ich, allerdings. Ich sehe diesen Mann heute zum ersten Mal. Offenbar hat er
einen Narren an mir gefressen. Ich brauche ja wohl nicht zu betonen, dass er
für mich nicht infrage kommt.“
„Das
sollen wir dir glauben?“ Heike hatte die Bemerkung von vorhin noch nicht
verziehen.
„Das
kannst du halten, wie du willst, meine Liebe.“
„Na
ja, ich dachte ja nur. Immerhin sieht der Typ verdammt gut aus. Das kann eine
unbemannte Frau doch unmöglich kalt lassen.“
„Tut
es aber!“ Ende der Diskussion. Stattdessen Schlendern über den Bauernmarkt,
Einkauf verschiedener Dinge, die keiner brauchte, Plaudern mit Bekannten, die
man beim Mühlenfest traf. Kurz gesagt, das Programm, das Frauen mühelos bis zum
Einbruch der Dunkelheit und dem Beginn des Feuerwerks durchhalten. Heike hatte
sich mittlerweile schon verabschiedet. Die musste nach Hause zu den Kindern;
Kerstin hatte ihren Bruder und ihre Schwägerin getroffen und war mit ihnen
unterwegs und Simone war zur Toilette gegangen uns seither nicht mehr
aufgetaucht. Auch Daniela hatte einige
Bekannte getroffen und sich da und dort verplaudert. Ab und an hatte sie noch
gespürt, dass Torsten in ihrer Nähe war und sie beobachtete. Verdammt, es kribbelte jedes Mal am ganzen Körper.
Bevor das Feuerwerk begann, suchte sich Daniela einen Platz etwas abseits, von
dem einen freien Blick auf den Platz hatte, wo die Feuerwerker ihre Arbeit
aufgebaut hatten.
Die
ersten Böller hatten den Abschluss des Mühlenfestes eingeläutet, Raketen zerbarsten am Himmel zu bunten
Lichterperlen und Daniela spürte die Arme des Mannes, der sie schon den ganzen
Tag verrückt machte. Ihr Widerstand war gebrochen; lange genug hatte sie
versucht, sich gegen ihre Begierde zu wehren. Sie war eine Frau in den besten
Jahren und sah keinerlei Grund mehr,
warum sie sich ein Abenteuer mit so einem tollen Mann versagen sollte. Deshalb
hatte sie auch nichts dagegen, als Torsten vorschlug, nachher mit zu ihr zu
kommen.
Daniela
steuerte das Auto auf die Zufahrtsstraße. Sie war etwas beunruhigt, dass ihr
bis jetzt noch kein Auto folgte. Sie fuhr rechts ran und wartete einige
Minuten. So ein Mist, der Kerl hat mit mir gespielt, dachte sie schon, und
entschied sich traurig, jetzt doch alleine nach Hause zu fahren. Fast wäre sie
vorbei gefahren; erst im letzten Moment erkannte sie den Anhalter.
„Wo
bleibst du denn so lange? Ich dachte schon, du lässt mich hier stehen. Hab
leider noch keinen Führerschein. Ich werd erst in einem halben Jahr 18.“
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